Sind Sie bereit für die neuen Cybersicherheitsanforderungen? Die NIS2-Richtlinie im Fokus

 

Warum hat die Kom­mis­sion eine neue NIS-​​Richtlinie vor­ge­schla­gen?

Die NIS-​​Richtlinie, das erste Cyber­si­cher­heits­recht der EU, zielt dar­auf ab, die Wider­stands­fä­hig­keit von Netz– und Infor­ma­ti­ons­sys­te­men in der Union gegen Cyber­si­cher­heits­ri­si­ken zu ver­bes­sern. Trotz ihrer bemer­kens­wer­ten Erfolge hat die NIS-​​Richtlinie Ein­schrän­kun­gen auf­ge­zeigt. Der digi­tale Wan­del der Gesell­schaft hat die Bedro­hungs­land­schaft erwei­tert. Es gibt neue Her­aus­for­de­run­gen, die ange­passte und inno­va­tive Ant­wor­ten erfor­dern.

Um die Aus­wir­kun­gen zu ana­ly­sie­ren und die Män­gel der NIS-​​Richtlinie auf­zu­de­cken, hat die Kom­mis­sion die Inter­es­sen­trä­ger kon­sul­tiert und fol­gende Pro­bleme ermit­telt:

  • unzu­rei­chende Cyber­re­s­i­li­enz vie­ler Unter­neh­men, die in der EU tätig sind
  • inkon­sis­tente Wider­stands­fä­hig­keit zwi­schen Mit­glied­staa­ten und Wirt­schafts­sek­to­ren
  • unzu­rei­chen­des gemein­sa­mes Ver­ständ­nis der wich­tigs­ten Bedro­hun­gen und Her­aus­for­de­run­gen der Mit­glied­staa­ten
  • feh­lende gemein­same Kri­sen­re­ak­tion

Infol­ge­des­sen hat die Kom­mis­sion im Dezem­ber 2020 eine über­ar­bei­tete Reihe zukunfts­si­che­rer Vor­schrif­ten vor­ge­schla­gen, die dar­auf abzie­len, das Niveau der Cyber­re­s­i­li­enz in der Union zu stär­ken, auf die die Mit­ge­setz­ge­ber am 13. Mai 2022 eine poli­ti­sche Eini­gung erzielt haben und die neue Richt­li­nie Ende Novem­ber 2022 förm­lich ange­nom­men haben, um auf die wach­sen­den Bedro­hun­gen durch Digi­ta­li­sie­rung und Ver­net­zung rea­gie­ren zu kön­nen.

 

Was sind die Kern­ele­mente der NIS II-​​Richtlinie?

Die NIS2-​​Richtlinie zielt dar­auf ab, die Män­gel der bis­he­ri­gen Vor­schrif­ten zu behe­ben, sie an den aktu­el­len Bedarf anzu­pas­sen und zukunfts­si­cher zu machen. Zu die­sem Zweck erwei­tert die Richt­li­nie den Anwen­dungs­be­reich der bis­he­ri­gen Vor­schrif­ten, indem neue Sek­to­ren auf der Grund­lage ihres Digi­ta­li­sie­rungs­grads und ihrer Ver­net­zung und ihrer Bedeu­tung für Wirt­schaft und Gesell­schaft hin­zu­ge­fügt wer­den, indem eine klare Grö­ßen­schwel­len­re­gel ein­ge­führt wird, was bedeu­tet, dass alle mitt­le­ren und gro­ßen Unter­neh­men in aus­ge­wähl­ten Sek­to­ren in den Anwen­dungs­be­reich ein­be­zo­gen wer­den. Gleich­zei­tig lässt sie den Mit­glied­staa­ten einen gewis­sen Ermes­sens­spiel­raum, klei­nere Unter­neh­men mit einem hohen Sicher­heits­ri­si­ko­pro­fil zu ermit­teln, das auch unter die Ver­pflich­tun­gen der neuen Richt­li­nie fal­len sollte.

Mit der neuen Richt­li­nie wird auch die Unter­schei­dung zwi­schen Betrei­bern wesent­li­cher Dienste und Anbie­tern digi­ta­ler Dienste besei­tigt. Unter­neh­men wür­den nach ihrer Bedeu­tung klas­si­fi­ziert und in zwei Kate­go­rien unter­teilt: wesent­li­che und wich­tige Ein­rich­tun­gen, die unter­schied­li­chen Auf­sichts­re­ge­lun­gen unter­lie­gen. Sie stärkt und ratio­na­li­siert die Sicher­heits– und Berichts­pflich­ten für Unter­neh­men, indem sie einen Risi­ko­ma­nage­men­t­an­satz vor­schreibt, der eine Min­dest­liste grund­le­gen­der Sicher­heits­ele­mente ent­hält, die ange­wen­det wer­den müs­sen. Mit der neuen Richt­li­nie wer­den genauere Bestim­mun­gen über das Ver­fah­ren für die Mel­dung von Vor­fäl­len, den Inhalt der Berichte und die Fris­ten ein­ge­führt.

Dar­über hin­aus befasst sich NIS2 mit der Sicher­heit von Lie­fer­ket­ten und Lie­fe­ran­ten­be­zie­hun­gen, indem ein­zelne Unter­neh­men auf­ge­for­dert wer­den, Cyber­si­cher­heits­ri­si­ken in den Lie­fer­ket­ten und Lie­fe­ran­ten­be­zie­hun­gen anzu­ge­hen. Auf euro­päi­scher Ebene stärkt die Richt­li­nie die Cyber­si­cher­heit in der Lie­fer­kette für wich­tige Infor­ma­ti­ons– und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gien. Die Mit­glied­staa­ten kön­nen in Zusam­men­ar­beit mit der Kom­mis­sion und der ENISA koor­di­nierte Sicher­heits­ri­si­ko­be­wer­tun­gen kri­ti­scher Lie­fer­ket­ten auf Uni­ons­ebene durch­füh­ren und dabei auf dem im Rah­men der Emp­feh­lung der Kom­mis­sion zur Cyber­si­cher­heit von 5G-​​Netzen ver­folg­ten erfolg­rei­chen Ansatz auf­bauen.

Mit der Richt­li­nie wer­den stren­gere Auf­sichts­maß­nah­men für die natio­na­len Behör­den, stren­gere Durch­set­zungs­an­for­de­run­gen und eine Har­mo­ni­sie­rung der Sank­ti­ons­re­ge­lun­gen in allen Mit­glied­staa­ten ein­ge­führt.

Außer­dem wird die Rolle der Koope­ra­ti­ons­gruppe bei der Gestal­tung stra­te­gi­scher poli­ti­scher Ent­schei­dun­gen gestärkt und der Infor­ma­ti­ons­aus­tausch und die Zusam­men­ar­beit zwi­schen den Behör­den der Mit­glied­staa­ten gestärkt. Dar­über hin­aus wird die ope­ra­tive Zusam­men­ar­beit inner­halb des CSIRT-​​Netzes ver­bes­sert und das euro­päi­sche Netz der Ver­bin­dungs­or­ga­ni­sa­tio­nen für Cyber­kri­sen (EU-​​CyCLONe) ein­ge­rich­tet, um das koor­di­nierte Manage­ment groß ange­leg­ter Cyber­si­cher­heits­vor­fälle und –kri­sen zu unter­stüt­zen.

NIS2 schafft auch einen grund­le­gen­den Rah­men mit ver­ant­wort­li­chen Schlüs­sel­ak­teu­ren für die koor­di­nierte Offen­le­gung von Schwach­stel­len für neu ent­deckte Schwach­stel­len in der gesam­ten EU und schafft eine EU-​​Schwachstellendatenbank für öffent­lich bekannte Schwach­stel­len in IKT-​​Produkten und IKT-​​Diensten, die von der EU-​​Agentur für Cyber­si­cher­heit (ENISA) betrie­ben und gewar­tet wer­den soll.

 

Wel­che Sek­to­ren und Ein­rich­tun­gen deckt NIS II ab?

Das NIS2 umfasst Unter­neh­men aus den fol­gen­den Sek­to­ren:

  • Sek­to­ren mit hoher Kri­ti­ka­li­tät: Ener­gie (Strom, Fern­wärme und Fern­kälte, Öl, Gas und Was­ser­stoff); Ver­kehr (Luft, Schiene, Was­ser und Straße); Ban­ken; Finanz­markt­in­fra­struk­tu­ren; Gesund­heit ein­schließ­lich Her­stel­lung von Arz­nei­mit­teln und Impf­stof­fen; Trink­was­ser; Abwas­ser; digi­tale Infra­struk­tur (Internet-​​Austauschstellen; DNS-​​Dienstleister; TLD-​​Namensregister; Anbie­ter von Cloud-​​Computing-​​Diensten; Anbie­ter von Rechen­zen­trums­diens­ten; Netze für die Bereit­stel­lung von Inhal­ten; Ver­trau­ens­diens­te­an­bie­ter; Anbie­ter öffent­li­cher elek­tro­ni­scher Kom­mu­ni­ka­ti­ons­netze und öffent­lich zugäng­li­cher elek­tro­ni­scher Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienste); IKT-​​Dienstleistungsmanagement (ver­wal­tete Dienst­leis­ter und Anbie­ter von Mana­ged Security-​​Diensten), öffent­li­che Ver­wal­tung.
  • Wei­tere kri­ti­sche Sek­to­ren: Post– und Kurier­dienste; Abfall­be­wirt­schaf­tung; Che­mi­ka­lien; Lebens­mit­tel; Her­stel­lung von medi­zi­ni­schen Gerä­ten, Com­pu­tern und Elek­tro­nik, Maschi­nen und Aus­rüs­tun­gen, Kraft­fahr­zeu­gen, Anhän­gern und Sat­tel­an­hän­gern und sons­ti­gen Trans­port­ge­rä­ten; digi­tale Anbie­ter (Online-​​Marktplätze, Online-​​Suchmaschinen und Social-​​Networking-​​Service-​​Plattformen) und For­schungs­ein­rich­tun­gen.

 

Wie sol­len die neuen Rege­lun­gen durch­ge­setzt und über­wacht wer­den?

Die neue NIS-​​Richtlinie stellt die Auf­sicht und Durch­set­zung in den Mit­tel­punkt der Auf­ga­ben der zustän­di­gen Behör­den und schafft einen kohä­ren­ten Rah­men für alle Auf­sichts– und Durch­set­zungs­tä­tig­kei­ten in allen Mit­glied­staa­ten.

Um die Beauf­sich­ti­gung zu stär­ken, die zur Gewähr­leis­tung einer wirk­sa­men Ein­hal­tung bei­trägt, stellt das NIS2 eine Min­dest­liste von Auf­sichts­mit­teln zur Ver­fü­gung, mit denen die zustän­di­gen Behör­den wesent­li­che und wich­tige Unter­neh­men beauf­sich­ti­gen kön­nen. Dazu gehö­ren regel­mä­ßige und gezielte Audits, Vor– und Nach­prü­fun­gen, Infor­ma­ti­ons­an­fra­gen und Zugang zu Doku­men­ten oder Beweis­mit­teln.

Dar­über hin­aus sieht die neue Richt­li­nie eine Dif­fe­ren­zie­rung der Auf­sichts­re­ge­lun­gen zwi­schen wesent­li­chen und wich­ti­gen Ein­rich­tun­gen vor, um ein aus­ge­wo­ge­nes Ver­hält­nis der Ver­pflich­tun­gen sowohl der Unter­neh­men als auch der zustän­di­gen Behör­den zu gewähr­leis­ten.

Was die Durch­set­zung betrifft, so gab es bis­her in den Mit­glied­staa­ten ins­ge­samt eine Zurück­hal­tung, Sank­tio­nen gegen Ein­rich­tun­gen zu ver­hän­gen, die keine Sicher­heits­maß­nah­men ergrei­fen oder Vor­fälle mel­den. Dies kann nega­tive Fol­gen für die Cyber­re­s­i­li­enz von Unter­neh­men haben. Um die Durch­set­zung wirk­sam zu gestal­ten, wird mit der neuen Richt­li­nie ein kohä­ren­ter Rah­men für Sank­tio­nen in der gesam­ten Union geschaf­fen. Sie legt daher eine Min­dest­liste ver­wal­tungs­recht­li­cher Sank­tio­nen für Ver­stöße gegen die in der NIS2-​​Richtlinie fest­ge­leg­ten Ver­pflich­tun­gen für das Cyber­si­cher­heits­ri­si­ko­ma­nage­ment und die Bericht­er­stat­tung fest. Diese Sank­tio­nen umfas­sen ver­bind­li­che Anwei­sun­gen, die Anord­nung zur Umset­zung der Emp­feh­lun­gen eines Sicher­heits­au­dits, die Anord­nung, Sicher­heits­maß­nah­men mit den NIS-​​Anforderungen in Ein­klang zu brin­gen, und Ver­wal­tungs­buß­gel­der. In Bezug auf Geld­bu­ßen unter­schei­det die neue NIS-​​Richtlinie zwi­schen wesent­li­chen und wich­ti­gen Stel­len. In Bezug auf wesent­li­che Ein­rich­tun­gen sind die Mit­glied­staa­ten ver­pflich­tet, eine bestimmte Höhe von Geld­bu­ßen vor­zu­se­hen, ins­be­son­dere einen Höchst­be­trag von min­des­tens 10 000 000 EUR oder 2 % des gesam­ten welt­wei­ten Jah­res­um­sat­zes des vor­an­ge­gan­ge­nen Geschäfts­jah­res, je nach­dem, wel­cher Wert höher ist. In Bezug auf wich­tige Ein­rich­tun­gen schreibt NIS2 vor, dass die Mit­glied­staa­ten eine Geld­buße von höchs­tens 7 000 000 EUR oder min­des­tens 1,4 % des gesam­ten welt­wei­ten Jah­res­um­sat­zes des vor­an­ge­gan­ge­nen Geschäfts­jah­res vor­se­hen, je nach­dem, wel­cher Wert höher ist.

Bei der Aus­übung ihrer Durch­set­zungs­be­fug­nisse soll­ten die zustän­di­gen Behör­den den beson­de­ren Umstän­den des jewei­li­gen Fal­les, wie der Art, der Schwere und der Dauer des Ver­sto­ßes, dem ent­stan­de­nen Scha­den oder dem ent­stan­de­nen Scha­den, dem vor­sätz­li­chen oder fahr­läs­si­gen Cha­rak­ter des Ver­sto­ßes gebüh­rend Rech­nung tra­gen.

Um eine wirk­li­che Rechen­schafts­pflicht für die Cyber­si­cher­heits­maß­nah­men auf orga­ni­sa­to­ri­scher Ebene zu gewähr­leis­ten, führt das NIS2 Bestim­mun­gen über die Haf­tung natür­li­cher Per­so­nen ein, die Füh­rungs­po­si­tio­nen in den in den Anwen­dungs­be­reich der neuen NIS-​​Richtlinie fal­len­den Unter­neh­men inne­ha­ben.

 

Wie geht es wei­ter?

Die Mit­glied­staa­ten müs­sen die Richt­li­nie bis zum 17. Okto­ber 2024 (21 Monate nach Inkraft­tre­ten der NIS2) umset­zen. Die Kom­mis­sion muss dann das Funk­tio­nie­ren der Richt­li­nie regel­mä­ßig über­prü­fen und dem Par­la­ment und dem Rat erst­mals bis zum 17. Okto­ber 2027 dar­über Bericht erstat­ten.

 

(Quelle: EU-​​Kommission/​MD)